Orchestrierung des Zufälligen und Spontanen
WK (Wolfgang Karl Gustav Kunth, Jahrgang 1950) entscheidet sich – obwohl außerordentlich kunstbegeistert – gegen „die Kunst“ und studiert – nicht eben kunstnah – Betriebs- und Volkswirtschaft in Köln.
Doch sein Interesse an zeitgenössischer Kunst und seine Neugier am künstlerisch-schöpferischen Gestalten leben weiter – und werden sich schon bald nach Abschluss seines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums als beruflich überaus vorteilhaft und für seine Arbeit nutzbringend erweisen.
WK macht Karriere als Verleger. Zunächst in einem der größten Medienkonzerne der Welt, indem er schon nach wenigen Berufsjahren die Geschäfte von bald zwanzig Verlagen führt und verantwortet, wirtschaftlich-finanziell, inhaltlich und eben auch gestalterisch-kreativ.
Viele hundert Buchideen und -projekte pro Saison müssen inhaltlich umgesetzt und gestaltet werden: schöngeistige Literatur und politische Sachbücher, historische Dokumentationen und Biografien, Großlexika über Kunst und Kultur, voluminöse Weltatlanten, Reiseführer und Reisemagazine, reich illustrierte Ratgeber, wertvolle Bildbände und kostbare Faksimiles. Unzählige Gespräche und Diskussionen mit Autoren, Fotografen, Lektoren, Redakteuren und Kartografen, Grafikern und Designern einerseits und mit Marketing-, Vertriebs- und PR-Mitarbeitern andererseits bestimmen sein berufliches Leben. Was ihm besonders am Herzen liegt: Marken- und Titelfindung, Covergestaltung, Layout und Grafik, Bildsprache, typografisch und kartografisch didaktisch sinnvolle Visualisierung, Papierqualitäten, Katalog- und Anzeigengestaltung. Hundertfache buchindividuelle Entscheidungen.
Kreativität rund um die Uhr. Unter Berücksichtigung inhaltlicher, vertrieblicher, finanzieller und juristischer Notwendigkeiten.
1995, nach achtzehn Jahren verlässt WK den Medienkonzern. In der Mitte des Lebens.
„Die Kunst“ meldet sich zurück und klopft heftig an. Der Wunsch des eigenen Gestaltens: ungestüme Arbeiten mit rostigen Blechen und verrotteten Schalbrettern, eruptive Malereien mit Kreide, Öl, Acryl, Tinte, Kohle, Grafit… Rotwein. Fantasien ohne die hemmenden Barrieren verlegerischer Notwendigkeiten, Zwänge und Rücksichtnahmen. Inspirationen des Augenblicks.
1995. „Die Kunst“: sie bleibt dennoch ein kurzes künstlerisches Intermezzo. WK entscheidet sich abermals – gegen „die Kunst“.
Noch im gleichen Jahr gründen Wolfgang und Calina Kunth ihre eigenen Verlage, die neben kartografischen und touristischen Ratgebern vor allem auch anspruchsvolle und hochwertige Atlanten, Lexika, Bildbände und Bildkalender über geografische, ökologische, kulturgeschichtliche und künstlerische Themen verlegen. Wie gehabt: Kreativität rund um die Uhr.
Die Kunth-Verlage, national wie international erfolgreich, erhalten eine Vielzahl von Ehrungen und Auszeichnungen. WK selbst wird 2016 mit dem LifeTime Award der ITB, Berlin für sein verlegerisches Lebenswerk geehrt. Ende 2020 geben Wolfgang und Calina Kunth ihre Verlage in neue Hände. Karriere erfolgreich. Die Arbeit getan?
2021: „Die Kunst“ – sie lässt nicht los. Jetzt ist Zeit für grenzenlose Entfaltung ohne den einschränkenden, zum Teil hemmenden Realitätsbezug verlegerischer Kreativität. Und ohne wirtschaftliche Zwänge. Das Alter? Welches Alter?
WK: „Kreativität, wie ich sie bei meiner verlegerischen Arbeit erfahren und erlebt habe, ist ausgerichtete, zielorientierte Fantasie im Verbund und „in der Pflicht“ vorgedachter Absichten und Zielsetzungen. Fantasie unter Rahmenbedingungen. Meine künstlerischen Arbeiten, kennen keine Vorgaben, sind Fantasie ohne konkretes Wollen, ohne Absichten. Die Orchestrierung des Zufälligen und des Spontanen. Meine Kunst fordert die Fantasie des Betrachters“.
Eine Fläche (Leinwand, Holz, Pappe, Papier), plan liegend, die Farben intuitiv gewählt, impulsiv geschüttet, spontan gespachtelt, geschabt, gerollt, eruptiv zum Leben erweckt durch Öle, Säuren Beizen und Laugen. Farben und Essenzen werden zu Mixturen, fließen ineinander, tanzen umeinander, arbeiten miteinander und gegeneinander, mischen sich, blühen auf, ziehen sich zurück, beulen aus, wölben sich, stürzen ein, eruptieren und erodieren, werfen Falten, verdursten und verdorren, trocknen aus, erstarren.
Formen wirre Kreaturen und skurrile Wesen. Bilden Krater, Kanäle, Seen, Lagunen, Sümpfe, Wüsten, Wälder, Canyons, Gebirge. Mutieren zu Planeten, Sternen, Galaxien. Generieren universale geheimnisvoller Welten. Evolutionäre Topografie der Farben und Formen. Zartfarbene und grobwilde Ästhetik zugleich.
KunthART: Orchestrierung des Zufälligen und Spontanen.